Deutschland einig Lachland by Ufer Peter

Deutschland einig Lachland by Ufer Peter

Autor:Ufer, Peter [Ufer, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus
veröffentlicht: 2015-11-23T16:00:00+00:00


KAPITEL 5

Grandln und frotzln mit Gaudi

Von München zum Wörtersee bis München

Na, servus! Der Weißwurstäquator Richtung Süden wird überschritten, hier babelt oder nuschelt keiner mehr, sondern da grandeln Zweibeiner ihren Fetz’n Gaudi. In München kann sich jeder auf der Emil-Riedel-Straße 12 sein Gaudiherz kaufen und an die Trachten stecken. So geht Bayern.

Der bayerische Knecht kündigt bei seinem Bauern. »Ja, warum denn«, fragt der sorgenvoll. Der Knecht: »Dei Frau is gestorbn, die Zensi is zum Studiern in die Stadt, eben is da Traktor verreckt. Ohne Aufstiegschancen bleib i net da.«

Das ist so ein Witz, den der Bayer in den Bergen und Tälern reißt. So erzählen es sich jedenfalls alle Vorurteiler. Vor dem Literaturhaus in München am Salvatorplatz 1 sitzt es sich im Sommer jedoch nicht alpenkühl, sondern an der Brasserie »Oskar Maria« hocken die Leute lässig in Stühlen wie in Florenz auf dem Piazza della Signoria. Ein Hauch toskanischer Luft weht durch den Abend. Das ist die Ruhe nach dem Sturm, der wenige Meter weiter am Hauptbahnhof tagelang einströmt. Die Münchner halten 2015 Flüchtlingsströme dieser Wochen nicht an, sondern aus, begrüßen herzlich, helfen mit allem, was sie zur Verfügung haben. Respekt.

Noch spät am Abend schlägt von der Renaissance-Fassade die Hitze des Tages auf die Straße zurück. Überall Sätze des bayerischen Schriftstellers Oskar Maria Graf; auf dem Geschirr, auf den Rückenlehnen der Lederbänke, auf den Granittischen auf der Terrasse, auf der elektronischen Laufsäule über der Bar, auf den Papiersets und Bierdeckeln. Da liest der Gast auf einem Teller:

Friss nur! Mensch, friss und sauf! Wir hängen sowieso schon halb am Galgen.

Auf einer Untertasse steht:

Mehr Sexualität, die Herrschaften!

Die New Yorker Künstlerin Jenny Holzer verteilte die Zeilen ins Porzellan. Zum Gedenken an den Schriftsteller, dessen Bücher 1934 von den Nazis öffentlich verbrannt wurden. Graf sagte damals:

Verbrennt die Werke des deutsches Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!

Eine New Yorkerin musste es als Künstlerin für das Buchstaben-Service schon sein, schließlich flüchtete Graf 1938 über den großen Teich. Beim Spaziergang durch die Exilstadt trug er immer Lederhosen, Mode gegen Heimweh. In Deutschland gibt es zwei Bundesländer, in denen die Leute auch zu Hause Heimweh haben, in Bayern und in Sachsen. Die Heimat kann der Flüchtige anziehen oder sprechen. Dialekt sagt alles über Zuhause.

In dem Literatur-Haus residiert heute der deutsche Geist. München sei die größte Büchermetropole in Europa, kündigt sich das Kulturzentrum an. Kurzes Staunen, kein Widerspruch nirgends. Studenten singen vorm »Oskar Maria« zu nachtschlafener Zeit: »Gaudi abends in einer Tour«, kleine Variation auf »Gaudeamus igitur« – Lasst uns also fröhlich sein! Prosecco-Gläser kreisen um die Münder. Einer aus der Runde, vielleicht ein Lateiner geht an die Bar und verlangt: »Einen Martinus bitte!«

Dann dreht er sich um, leert in einem Zug seinen Cocktail, läuft an den Tisch zurück, nimmt sich das Glas eines der Freunde, trinkt es aus, stolpert, stößt an den Rücken einer der jungen Damen, rammt ihre Schulter. Sie ruft:

Grattler, du Rindvich, bist dammisch Hosnbisla! Schleich di! Gscheerter Hamme, Noagerlzuzla, Bratzn weg, sonst setzt’s wos!

Versuch einer Übersetzung: »Penner, du Rindvieh, bist du blöd Weichei! Hau ab! Gemeiner Mensch, Restetrinker, Finger weg, sonst gibt es Schläge.



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